Lebensmittel und Getränke Gibt es auf diesem heiß begehrten Markt Anzeichen für eine Abkühlung?

Lebensmittel und Getränke Gibt es auf diesem heiß begehrten Markt Anzeichen für eine Abkühlung?

Experten führen einen offenen Meinungsaustausch über die aktuelle M&A-Landschaft und sprechen über Investitionstrends und -strategien, populäre Konsummärkte und Red Flags.

April 14, 2020

Hinweis der Redaktion: Diese Diskussion wurde vor der Covid-19-Pandemie geführt.

In den letzten fünf Jahren hat sich ein robuster Markt für Transaktionen in der Lebensmittel- und Getränkebranche entwickelt, in dem nicht selten Dutzende Bieter um Unternehmen von relativ moderater Größe buhlten. Die Kaufpreismultiplikatoren sind so weit angestiegen, dass sie sogar den Spitzenwert kurz vor der Großen Depression 1929 übertrafen. Wird dieser überhitzte Markt anhalten? Wenn ja, wie sollten Eigentümer und Geschäftsleitung an die Aufgabe herangehen, ein Unternehmen verkaufsfit zu machen? Gian Ricco, Managing Director im Stout Investment-Banking und Leiter des Bereichs Lebensmittel und Getränke, nahm kürzlich an einer Podiumsdiskussion auf Einladung von OPUS Connect teil. Weitere Teilnehmer der von Michael Ilagan (Blackland Capital Partners) moderierten Podiumsdiskussion waren Cathy Jaros von The Peakstone Group, Bob Dekker von Balmoral Advisors und Nathan Aslesen von der Craig-Hallum Capital Group.

Ist der Lebensmittel- und Getränkemarkt für Investoren immer noch attraktiv? Welche Kategorien werden am stärksten und welche am wenigsten nachgefragt?

Die Diskussionsteilnehmer waren sich darin einig, dass ein gut geführtes, rentables Unternehmen reichlich Potenzial hat, um überdurchschnittliche Multiples zu erzielen. Ist ein Unternehmen weniger hoch entwickelt oder weist suboptimale EBITDA-Margen (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) innerhalb eines Sektors auf, wird wahrscheinlich immer noch Interesse bestehen, aber nicht in der Höhe. Wenn Unternehmen auf dem Markt angeboten werden, gibt es einen sehr breiten Bewertungsfächer für die potenziellen Übernahmekandidaten. Nicht selten finden sich darin ein oder mehrere hohe Gebote, die doppelt so hoch sind wie die der niedrigsten Bieter.

In einigen Kategorien besteht weiterhin ein reges Interesse an Produkten mit Eigenmarken, bei denen das Geschäft ohne Investitionen in die Marke schnell ausgebaut werden kann. Dienstleistungen im Bereich des Vertriebs von Lebensmitteln sind ebenfalls begehrt. Gleiches gilt für Unternehmen, die sich auf Getränke, Snacks und Zutaten spezialisiert haben. Verpackungshersteller stoßen ebenfalls weiterhin auf eine rege Nachfrage. „Alles im Umkreis eines Ladens dürfte interessant bleiben, während man im Zentrum des Ladens schon die Nummer 1 oder 2 in der jeweiligen Kategorie sein muss“, sagte Ricco.

In der Podiumsdiskussion wurde eingeräumt, dass der Einzelhandel ein schwierigerer Sektor ist, da Unternehmen sich einerseits mit der Dynamik auseinanderzusetzen versuchen, wie die Lebensmittel zum Kunden kommen, und gleichzeitig gegen Kunden-„Riesen“ wie Amazon und Walmart antreten müssen.

Welche „Red Flags“ könnten Käufer verscheuchen?

Alles, was der Kehrseite eines gut geführten, datengestützten Unternehmens entspricht, wird Investoren abhalten. Fluktuation im Management, fehlende Strategie und Kundenkonzentration sind die üblichen Verdächtigen, nicht nur in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, sondern in den meisten Branchen. Qualität ist ebenfalls ganz wichtig. Investoren werden wissen wollen, ob es einen Rückruf oder andere Probleme gab, die sich negativ auf das Kundenvertrauen und die Sicherheit ausgewirkt haben.

Diese Branche wird von großen Unternehmen dominiert. Ist dies ein Mittel zur Verringerung der Kundenkonzentration?

„In diesem Geschäft ist Kundenkonzentration kaum zu vermeiden. Walmart ist ein gutes Beispiel dafür, warum man diversifizieren sollte. Bereits ein einziger Ausrutscher hat spürbare Auswirkungen. Es ist interessant, zu sehen, das selbst in einem so großen Unternehmen eine Kundenkonzentration auftritt“, erklärte Ricco.

Die Diskussionsteilnehmer wiesen auch auf jüngste Abwicklungen und Misserfolge hin, die auf Kundenkonzentration zurückzuführen sind. Neben der Geschwindigkeit des Verkaufs wurde die Kundenkonzentration als eine der größten Herausforderungen oder potenziellen Ausschlusskriterien genannt. Nach Meinung des Podiums werden sich die Hersteller in der nächsten Welle damit beschäftigen müssen, wie man mit neuen Marken umgeht, die versuchen, die kritische Größe zu erreichen. Größere, etabliertere Marktteilnehmer kämpfen weiter gegen kleinere, wendigere neue Marken, die als authentischer wahrgenommen werden.

Wie werden Investoren diese Unternehmen finanzieren?

Die Podiumsteilnehmer wiesen darauf hin, dass an immer mehr Transaktionen strategische Investoren beteiligt sind, die in der Regel gut informiert sind, da sie offenkundig wissen, was sie tun. Gleichzeitig gibt es eine Fülle neuer Private-Equity-Fonds auf dem Markt, die die Bewertungen verzerren können, da sie miteinander im Wettstreit um Übernahme- und Investitionsmöglichkeiten stehen. Im Wesentlichen ist auf dem Lebensmittel- und Getränkemarkt die ganze Bandbreite an Interessen und Aktivitäten von Investoren zu beobachten.

Was die Finanzierung betrifft, haben einige große Wagniskapitalgeber begonnen, sich zurückzuziehen, wobei es in Private-Equity-Kreisen keine Anzeichen für ein Abklingen gibt. Der Verschuldungsgrad bei Leveraged Buyouts ist ebenfalls weiterhin robust. Eine Gesamtverschuldung in Höhe des 4- bis 4,5-Fachen des EBITDA ist nicht unüblich – und kann noch höher sein, wenn sich das Unternehmen in der Vergangenheit durch eine stabile Ertragslage ausgezeichnet hat.

Die nächste Frage, die ein Investor stellen muss, lautet: Kann ich darauf vertrauen, dass dieses Managementteam mit dem von mir investierten Kapital sorgsam umgeht?

Die Podiumsteilnehmer waren sich darin einig, dass dies ein primärer Gesichtspunkt ist. Hat das Management eine Strategie und das Unternehmen im Griff? Welche Daten und Analysen bilden die Grundlage für ihre Entscheidungen? Welche Steine liegen dem Unternehmen im Weg? Welcher Führungsstil wird praktiziert und wie zieht sich dieser durch das gesamten Unternehmen? All dies sind Fragen, die Investoren wahrscheinlich berücksichtigen. Ein weiterer Aspekt lautet, ob es sich bei der Transaktion um die Übernahme einer Plattform oder einen Zukauf handelt. Geht es um eine Plattform (d. h. eine neue Investition in dem betreffenden Bereich) hat die Stärke des Managementteams zentrale Bedeutung. Ein Investor muss wissen, ob die derzeitige Geschäftsleitung voll dahinter steht, die nächsten fünf Jahre in dem Unternehmen zu bleiben, und wenn nicht, wer die Lücke schließen wird.

„Bei der Beurteilung eines möglichen Kandidaten machen wir oft eine Werksbesichtigung. Dabei beobachte ich, wie die Belegschaft reagiert, wenn ihr Chef durch den Betrieb geht. Wie sieht die Interaktion aus? Lächelt die Belegschaft, wenn sie ihrem Chef begegnen, oder tun die Mitarbeiter so, als sei der Geschäftsführer, Vorstandsvorsitzende oder Inhaber gar nicht da? Lassen Sie sich auf ein kurzes Gespräch ein? Kennt der Geschäftsleiter vielleicht sogar jeden mit Namen? Man kann in einer kurzen 15-minütigen Betriebsbesichtigung sehr viel über die Kultur eines Unternehmens erfahren“, meinte Ricco.

Gibt es so etwas wie eine Beurteilung der Lernfähigkeit eines Mandanten?

Die Podiumsteilnehmer stimmten darin überein, dass sich eine möglichst frühe Zusammenarbeit zwischen dem Investment-Banker und dem zum Verkauf anstehenden Unternehmen auszahlt. So erhält man genügend Handlungsspielraum, um den Mandanten zu coachen, und umgekehrt bleibt diesem bleibt genügend Zeit, um einige mögliche schnelle, aber wirkungsvolle Veränderungen im Unternehmen vorzunehmen. Der Verkauf eines Unternehmens ist ein Marathon, kein Sprint und kann vom Startschuss bis zum Zieleinlauf bis zu sechs Monate dauern. Führungskräfte, Eigentümer und Gründer müssen offen sein, da ein Verkaufsprozess viele überraschende Wendungen nehmen kann, bis es zu einem erfolgreichen Abschluss kommt.

Welche anderen Faktoren führen zu einem offensiven, umkämpften Bieterprozess?

Derzeit dreht sich alles um die Schnelligkeit im Einzelhandel: Umsätze, Größe und Margen, hohes Wachstum und Gewinne. Wer in einem Endmarkt und dort in einer Kategorie mit exponentiellem Wachstum tätig ist, wird Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Alle Podiumsteilnehmer waren sich darin einig, dass der Lebensmittelsektor selbst diese Faktoren mehr als andere Branchen zu verstärken scheint.

Glauben Sie, dass die Multiples ihren höchsten Stand erreicht haben?

Ein weiterer Anstieg der Multiples gegenüber dem derzeitigen Niveau ist schwer vorstellbar, so die einhellige Einschätzung der Podiumsteilnehmer. Tatsächlich scheinen sich die Bewertungen in den letzten 24 bis 36 Monaten stabilisiert zu haben. Die Banken scheinen eine Rezession zu erwarten, die noch nicht eingetreten ist. Dies könnte die Ursache für eine zunehmend konservative Kreditvergabe sein. Bankfremde Geldgeber haben die Wettbewerbslandschaft jedoch durch Ausweitung der Optionen und Erhöhung des verfügbaren Fremdkapitals verändert. Dies dürfte den Markt weiter stützen, selbst wenn sich die klassischen Banken etwas zurückziehen.

Auf der Eigenkapitalseite kommentierte Ricco: „Derzeit gibt es noch so viel Kapital zum Investieren. Nach derzeitigen Schätzungen liegt die Gesamtkaufkraft bei 1,5 Billionen USD. Dies liegt daran, dass einige Fonds, die früher ind er Größenordnung von 250 Millionen USD bis 500 Millionen USD bewertet waren, inzwischen ein Vermögen von 1 Milliarde USD aufgebaut haben.“ Neben Private Equity wurde die zunehmende Anzahl von Family Offices, die direkt in Unternehmen investieren, als weiterer Weg genannt, wie Kapital in den Markt fließt.

Wird dieser Sektor weiter durch Innovationen beflügelt werden, oder haben Sie das Gefühl, dass der Unternehmergeist in den USA nachlässt?

Die Podiumsteilnehmer waren begeistert von der Innovationskraft und nannten als Beispiel die Fülle neuer Marken und Produkte, die in den Regalen der Supermärkte landen. Die Verbrauchertrends wechseln schneller als je zuvor, und das treibt Innovationen schneller als je zuvor voran. Noch nie gab es so viele Nischen in der Lebensmittelbranche, Wissenschaft und Landwirtschaft, die einen genaueren Blick lohnen. Diese Sektoren werden weiterhin von Unternehmern (und teilweise ausschließlich von Unternehmern) umgewälzt.